28.11.2024 |
Einwilligung für fremde Printwerbung erforderlich.
Sahen es viele bis dato für zulässig an, dass gedruckte Werbung auch ohne Einwilligung rechtmäßig ist, wenn Unternehmen personenbezogene Daten etwa bei Verträgen erhalten haben und an andere Firmen weitergeben, sorgt jüngst eine Entscheidung aus Brüssel für helle Aufregung.
Auslöser des Streits war die Übermittlung personenbezogener Daten eines Tennisverbandes aus den Niederlanden seiner Mitglieder an einen Sportartikelanbieter sowie den größten Player von Glücks- und Kasinospielen in Holland. Der Verein lieferte beiden Sponsoren gegen entsprechende Vergütung unter anderem die Namen, Anschriften und Wohnorte für deren Versand von gedruckten Reklamebriefen. Wenig erbaut davon, beschwerten sich einige Mitglieder bei der niederländischen Aufsichtsbehörde für den Datenschutz. Ihr Vorwurf: Es hätte einer vorherigen Einwilligung nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) bedurft, die aber de facto nicht vorlag. Die Aufsichtsbehörde stimmte dem zu und verhängte eine Geldbuße von 525.000 Euro. Der Tennisverband sah sich hingegen im Recht und machte sein „berechtigtes Interesse“ gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe f DSGVO geltend. Demnach sei gerade keine vorherige Einwilligung erforderlich.
Absage des EuGH zum „berechtigten Interesse“ bei Direktwerbung
Marketingaktionen mit postalischer Werbung (auch „Printwerbung“ genannt) werden in der DSGVO als „Direktwerbung“ bezeichnet (Artikel 21 Absatz 2). Demnach sind derartige Kampanien erst einmal auch ohne Einwilligung zulässig, sofern der Empfänger dem nicht nachträglich widerspricht. Für Unternehmen, die personenbezogene Daten etwa ihrer Kunden oder Mitglieder an andere Firmen zu deren Printwerbung übermitteln, muss aber das so genannte „berechtigte Interesse“ daran bestehen.
Bestanden an dem „berechtigten Interesse“ für Direktwerbung bis dato unter deutschen und auch anderen Gerichten der EU wenig Zweifel, sorgt der Europäische Gerichtshof (EuGH) jetzt für reichlich Wirbel.
Insbesondere bemängelt er, dass es an der „Erforderlichkeit“ fehlt. Mit anderen Worten: Es gibt auch andere Mittel, die für die Betroffenen weniger einschneidend sind. Ein solches Instrument besteht laut den Richtern beispielsweise darin, die potenziellen Adressaten vorab darüber zu informieren, dass eine Übermittlung geplant ist und ob die Betroffenen „möchten, dass ihre (personenbezogenen) Daten für Werbe- und Marketingzwecken weitergegeben werden“. Laut EuGH würde dies „den betroffenen Mitgliedern ermöglichen, (…) die Kontrolle über die Offenlegung ihrer personenbezogenen Daten zu behalten“.
Neue Marschrichtung durch den EuGH
Für Direktwerbung statuiert die DSGVO in ihrem Erwägungsgrund 47 wörtlich Folgendes: „Die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Direktwerbung kann als eine einem berechtigten Interesse dienende Verarbeitung betrachtet werden“.
Da die Erwägungsgründe den Willen des europäischen Gesetzgebers konkretisieren und Aussagen zu erlaubten und verbotenen Handlungen treffen, waren sich viele Juristen, Gerichte und auch Aufsichtsbehörden darüber einig, dass Printwerbung auch ohne Einwilligung erfolgen darf, wenn dies im Wege des Adresshandels erfolgt (also die Weitergabe an Dritte zu deren gedruckter Werbung). Der EuGH ist aber nunmehr anderer Meinung und legt eine neue Marschrichtung für gedruckte Reklame vor. Die Gründe liefert das Gericht in seinem Urteil allerdings nicht wirklich.
„Was tun, sprach Zeus?“
Die Auswirkungen für Direktwerbung und den Adresshandel sind derzeit nicht absehbar. So ähnlich muss es dem Schriftsteller Heinrich Heine gegangen sein, als er fragte „Was tun Zeus? Die Götter sind besoffen und vollgekotzt ist der Olymp“.
In einem ersten Step gibt es allerdings zwei Empfehlungen:
Zum ersten sollte im Datenschutzhinweis (etwa auf der Homepage) darauf hingewiesen werden, dass das Unternehmen die Weitergabe der personenbezogenen Daten an Dritte zu deren Printwerbung vorsieht.
Im zweiten Schritt bietet es sich beispielsweise bei Neukunden oder Neumitgliedern an, sich eine Einwilligung für derartige Übermittlungen einzuholen. Wichtig dabei: Keine vorangekreuzten Checkboxen verwenden – erforderlich ist, dass aktiv geklickt werden muss. Aus Sicht von Unternehmen ist dabei natürlich ein hoher Verwaltungs- und Dokumentationsaufwand von Nöten.
Abschließend stellt sich aber die Frage:
Rechnen Kunden nicht damit, dass sie gedruckte Werbung von anderen Firmen erhalten?
Davon ist die EU-Kommission bei der Verabschiedung der DSGVO ausgegangen. Ansonsten gäbe es nicht den genannten Erwägungsgrund 47. Warum der EuGH das nunmehr anders sieht, wissen nur die Götter. Und vielleicht Zeus. Wir haben jedenfalls unsere feste Meinung dazu für unsere Mandanten.
Urteil des EuGH vom 4. Oktober 2024, Rechtssache C‑621/22.
Hier abrufbar.
Von Prof. Dr. Noogie C. Kaufmann
Bildnachweis: Das Bild wurde mit KI von Adobe Firefly erstellt.