02.04.2024 |

Küss mich Darling (aber nicht hier).

In der Nase bohren, sich am Po jucken oder Fremdknutschen – es gibt viele peinliche Situationen, die Kameras aufzeichnen. Das will keiner. Andererseits: Ladendiebstahl, Klau von Firmeneigentum oder Sachbeschädigung – schlimmer noch: Gewalt. Mit der Überwachung kann vieles verhindert und auch aufgeklärt werden. Die Grenze bildet aber der Datenschutz. Hier unser Update – auch zur Verwendung von Künstlicher Intelligenz („KI“).

 

Soll der „Kollege Kamera“ eingesetzt werden, bedarf es dazu einer Rechtsgrundlage. Für Unternehmen der Privatwirtschaft in Deutschland gilt Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe f der Datenschutzgrundverordnung der Europäischen Union („DSGVO“).
So entschied das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich in seinem Urteil vom 27. März 2019 (Aktenzeichen: 6 C 2.18).

 

Interessenabwägung ist kein Freischein

Die genannte Vorschrift der DSGVO verlangt von Firmen vor der Installation einer Kamera eine Interessenabwägung. In die Waageschale zu werfen sind einerseits die Belange des Unternehmens und andererseits die Interessen der von der späteren Überwachung betroffenen Menschen. Ergibt die Abwägung, dass die Interessen der betroffenen Personen nicht überwiegen, kann die Einrichtung erfolgen.
Dazu folgendes Beispiel: Das Modeunternehmen X im Textileinzelhandel mit Sitz in Deutschland unterhält 100 stationäre Läden. Die Geschäftsführung stellt fest, dass es aufgrund von Diebstählen zu signifikanten Verlusten kommt. Da es kein anderes Mittel zur Verhinderung und Aufklärung gibt, erfolgt die Installation von Videokameras in den Geschäften. Zu Recht.

Wichtig bei der Interessenabwägung: Sie ist kein Freischein.
Es müssen schon handfeste und beweisbare Gründe vorliegen. Dazu gehören etwa die Verhinderung von Diebstählen, die strafrechtliche Verfolgung von Vandalismus oder die Sicherheit von Mitarbeitenden und Kunden. Fadenscheinige und absurde Begründung lassen weder die Gerichte noch die Aufsichtsbehörden zu.

 

Ohne geht es nicht – Vorkehrungen zum Datenschutz

Neben der Begründung zum Einsatz vom „Kollegen Kamera“ haben Unternehmen aber noch vor dem Beginn einige Vorkehrungen zur Einhaltung der gesetzlichen Buchstaben des Datenschutzes einzuhalten.

Regelmäßig ist etwa die Durchführung einer „Datenschutz-Folgenabschätzung“ gemäß Artikel 35 der DSGVO erforderlich. Dabei müssen Firmen unter anderem prüfen, ob es nicht andere Mittel gibt, um den gleichen Zweck zu erreichen.

Festzulegen ist ferner die Speicherdauer von Aufzeichnungen. Alle sagen „72 Stunden und dann ist zu löschen“. Das ist so erst einmal richtig, steht aber nirgendwo im Gesetz. Gibt es wirklich gewichtige Gründe für eine längere Speicherdauer, so darf auch länger gespeichert werden.

Eng mit der Festlegung der Speicherdauer verbunden ist die Pflicht zur Dokumentation der Videoüberwachung im „Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten“ gemäß Art. 30 der DSGVO. Das ist keine Raketenwissenschaft. Es ist lediglich darzulegen, warum, wie und unter welchen Parametern die Überwachung erfolgen soll.

Last, but not least: Hinweisschilder.
Wer kennt sich nicht – die Schilder, meist in Blau gehalten. Auch hier wieder: Davon steht nichts im Gesetz. Es existiert also keine Pflicht. Allerdings kommen hier die Informationspflichten der DSGVO ins Spiel (Artikel 13 und 14). So muss über den Datenschutz vorab aufgeklärt werden. Bei der Videoüberwachung ist in den meisten Fällen das Einfachste das Anbringen von Hinweisschildern.

 

KI, Videoüberwachung und Fremdknutschen

Die Effizienz von Kameras in Firmen kann durch KI gestärkt werden. Mittlerweile existieren Tools, die den Einsatz wirkungsvoll unterstützen. So beispielsweise im Einzelhandel, um Detektiven an den Monitoren im Hinterzimmer wertvolle Signale zu geben. Erste Hinweise für die rechtlich zulässige Verwendung kommen beispielsweise von der Aufsichtsbehörde Hamburg für den Datenschutz (siehe hier bei uns).

Viele Fragen sind aber noch ungeklärt.

 

Eines noch (können wir uns nicht verkneifen):

In Italien werden keine „Blitzer-Fotos“ mehr verschickt – es seien daran schon Ehen zerbrochen (also wohl Fremdknutschen schwarz auf weiß).

 

Von Prof. Dr. Noogie C. Kaufmann

Bildnachweis: Das Bild wurde mit KI von Adobe Firefly erstellt.