10.10.2023 |

Die Gretchenfrage nach der Mitarbeiterzahl.

Für Unternehmen ab 50 Beschäftigten drängt nunmehr die Zeit. Sie müssen spätestens ab dem 17. Dezember 2023 ein System für die Meldung (vermeintlicher) bestimmter Rechtsverstöße installieren. Von vielen Firmen kommt die Gretchenfrage nach der konkreten Berechnung.

Das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz (kurz „HinSchG“ oder auch landläufig „Whistleblower-Gesetz“) sieht bereits seit dem 2. Juli 2023 für größere Unternehmen (ab einer Beschäftigtenzahl von 250) die Obliegenheit für einen Mitteilungsweg wegen möglicher Nichteinhaltung bestimmter Gesetze vor (§ 12 Absatz 1 HinSchG). Ab dem 17. Dezember 2023 gilt die Pflicht dann aber auch für kleinere Firmen (siehe hier bei uns). Gemeint sind Unternehmen, die zwischen 50 und 249 Mitarbeiter beschäftigen (§ 42 Absatz 1 HinSchG).

 

Keine einfache Mathematik.

Bei der Berechnung der Arbeitnehmer tun sich Geschäftsführungen mitunter schwer. Verständlicherweise. Schließlich gilt es nicht nur die Buchstaben des HinSchG zu beachten, sondern vornehmlich die Vorgaben des Europäischen Rechts. Dreh- und Angelpunkt ist die im Volksmund bezeichnete „Whistleblower-Richtline“ (formal juristisch heißt sie „RICHTLINIE (EU) 2019/1937 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“).

Nach § 3 Absatz 8 des HinSchG sind in die Betrachtung unter anderem alle „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“ einzubeziehen, die sich einer „Berufsausbildung“ (umgangssprachlich „Azubis“) befinden und des Weiteren alle „Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeiternehmerähnliche Personen anzusehen sind“ (z.B. Menschen, die von zuhause ausarbeiten).

Soweit das deutsche Gesetz. Allerdings ist es mit einfacher Mathematik nicht getan. Parallel und somit zusätzlich ist auch noch die Whistleblower-Richtline ins Auge zu nehmen. Nach deren Artikel 5 Nr. 7 sind auch Personen mit in die Berechnung der Mitarbeiterzahl einzubeziehen, „die im Zusammenhang mit ihren Arbeitstätigkeiten erlangte Informationen“ melden möchten. Was abstrakt daher kommt, erhellt sich in Erwägungsgrund 38 der Richtlinie. Miteinzubeziehen sind demnach auch „Teilzeitbeschäftigte und befristet Beschäftigte“. Und ferner auch Menschen, die „ein Arbeitsverhältnis mit einem Leiharbeitsunternehmen (…) geschlossen haben“ (juristisch sogenannte „Leiharbeitnehmer“).

 

Wie umgehen bei Schwankungen bei der Beschäftigtenzahl?

Gerade bei Leiharbeitnehmern kann die Berechnung für kleinere Firmen in der Praxis schwierig werden. Dazu das folgende Beispiel aus der Praxis: Das Unternehmen U mit Sitz in Deutschland hat 48 Beschäftigte und erhält unerwartet einen einmaligen Großauftrag. Um die Offerte annehmen zu können, werden sieben Leiharbeitnehmer für drei Monate „eingestellt“.

Die Schwankung – 48 zu 55 – muss natürlich von der Geschäftsleitung bewertet werden. Der Gesetzgeber hat dazu keine Antwort gegeben. Ein Blick in das Whistleblower-Gesetz hilft aber allerdings. Dort heißt es in § 12 Absatz 2 HinSchG, wonach der Schwellenwert für „jeweils in der Regel (von) mindestens 50 Beschäftigten“ gilt. Heißt übersetzt: Wenn die Zahl über einen kurzen Zeitraum überschritten wird, muss kein Meldesystem installiert werden. Eine Aufsichtsbehörde kann auch anderer Auffassung sein. Dann bedarf es aber überzeugender Argumente, die nicht ersichtlich sind.

Für die Beantwortung der Gretchenfrage der Mitarbeiterzahl stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Hinsichtlich der von Goethe gemachten Aussage bleiben wir aber außen vor.

 

Foto von Quino Al auf unsplash